„… So glauben wir auch mit dieser Ausstellung unserer Aufgabe zu dienen, anhand ausgewählter Beispiele über die Kunst unserer Zeit zu informieren“.
Mit diesen Worten habe ich- zugleich im Namen unseres Kunstvereinsvorsitzenden – im Vorwort zu unserem Katalog Josef Mikl die Tatsache begrüßt, daß wir das Glück haben, unserem Publikum in Deutschland zum ersten Mal in einer großen Überblicksausstellung das Werk eines österreichischen Künstlers vorzuführen, eines Künstlers, von dem wir glauben, daß er nicht nur zu den führenden schöpferischen Kräften in seinem Land gehört, sondern im Konzert, dem vieltönigen, der Kunst unserer Zeit überhaupt einen wichtigen Part übernommen hat.
Doch wenn Sie, meine Damen und Herren, eine unserer bremischen Tageszeitungen aufschlagen, so ist das offenbar alles falsch. Wie schon im Falle Aleschinsky, erweckt auch diese Ausstellung „den Eindruck einer zufälligen oder willkürlichen Auswahl, die abseits der tatsächlichen Entwicklung liegt“ … „Auf der internationalen Szene kommt Mikl zehn Jahre zu spät“ sie sei Kunst von gestern. Wie dies im einzelnen zu beurteilen sein, wird uns von Monsignore Mauer, den ich gleich begrüßen werde, gewiß genauer sagen.
Ich fühle mich nur verpflichtet, nicht allein aus Anstand gegenüber unseren österreichischen Gästen, auf eine fundamental irrige Vorstellung aufmerksam zu machen (nicht das erste Mal), die hinter der eben zitierten Betrachtung unserer Ausstellung sich verbirgt. Daß diese fundamental irrige Vorstellung heute weit verbreitet ist, nicht allein in den Bereichen der Kunstproduktion und Kunstbetrachtung, macht sie leider nicht richtiger.
Die Vorstellung nämlich von dem, was das sei „unsere Zeit“, „unsere Gegenwart“. Sie ist kein Absolutum, sie ist keine punktuelle Markierung, sondern die lebendige Summe des Gewesenen und Künftigen (Last und Aufgabe) im heutigen Zeitraum. Zeit ist etwas unendlich viel-Schichtiges und viel-Bedingtes. Kunst unserer Zeit, unserer Ggegenwart, so „modern“ sie im einzelnen sein mag, so „aktuell“ sie erscheinen mag oder aber auch so „unmodern“ oder „unaktuell“ sie erscheinen mag, ist immer, und wird immer sein, mit allen Fasern ihres Seins verbunden, verflochten mit den verschiedensten Schichten des Zeitraums, in dem sie entsteht. Denn Kunst, sofern sie Kunst ist, ist eben kein demodierendes Produkt der Konsumgüterindustrie, wenn auch eine gewisse Richtung, des vorgeblich „modernen“ Kunsthandel sie gern dazu gemacht hätte. Sie ist, sofern sie Kunst ist, eben nicht dem Saison-Spruch einer „Haute-Couture“ untertan. Mikls Kunst ist Kunst in diesem eigentlichen Sinne …
Sehr verehrter Monsignore Mauer, ich bitte um Entschuldigung, daß ich Sie habe warten lassen. Doch mögen Ihnen die eben ausgesprochenen Gedanken deutlich machen, wie ähnlich die Probleme sind, mit denen wir uns gemeinsam in Wien und in Bremen herumzuschlagen haben, mögen unsere Ausgangspunkte und Vorbedingungen auch noch so verschieden sein.
Sie sind in diesem Saal und überhaupt in unserer Stadt als ein Streiter für die Kunst unserer Zeit bekannt und hochgeschätzt. Heute begrüßen wir Sie dankbar als den Erfinder und Betreuer der Galerie St. Stephan in Wien, die für die Geltung der Kunst der Gegenwart nicht nur in Ihrer Stadt und in Ihrem Land heute und in Zukunft einfach unersetzlich ist. Wir danken Ihnen die Mikl-Ausstellung und wir danken Ihnen dafür, daß Sie bei der großén Bürde Ihres geistlichen Amtes und Ihrer Galerie die Mühe der weiten Reise auf sich genommen haben…
Eröffnungsrede 7.9.1969 JM Gemälde und Handzeichnungen Kunsthalle Bremen (Auszug)
in: Josef Mikl (Hrsg.), Josef Mikl, Arbeiten 1988 – 1993, Wien 1994, o. P.