Gabriele Baumgartner: Josef Mikls Zyklus zu Nikolai Gogols Roman: Die toten Seelen, 1842

Als Nikolai Gogols (1809 – 1852) erster Teil des Romans „Die toten Seelen“ 1842 publiziert wurde, erregte er unter Literaturkritikern und Schriftstellerkollegen sogleich breite Zustimmung, jedoch reagierten Konservative mit harscher Ablehnung. Die Geschichte der „Toten Seelen“ war ursprünglich als Trilogie geplant, jedoch verbrannte der Autor das fertige Manuskript des zweiten Bandes kurz vor seinem Tod 1852 und so konnte es nur mehr rekonstruiert werden bzw. liegt nur mehr bruchstückhaft vor.

 

In seinem satirischen Roman prangert Nikolai Gogol seine zeitgenössische, russische Gesellschaft an und führt vor allem die Großgrundbesitzer und das Beamtentum vor. Sein Roman birgt dabei einen realistischen, satirischen Seitenhieb auf das russische Recht, da nur alle zehn Jahre die Steuerlisten aktualisiert wurden, galten selbst bereits verstorbene Leibeigene noch als lebendiger Besitz. Da im damaligen Russland in der staatlichen Verwaltung, Leibeigene tatsächlich als „Seelen“ geführt wurden, mussten Großgrundbesitzer auch für bereits Verstorbene noch bis zur nächsten Aktualisierung der Register Steuern entrichten. Nikolai Gogols „Held“ Tschitschikow reist deshalb durch das zaristische Russland, um Gutsherren ihre „toten Seelen“ - die verstorbenen Leibeigenen - abzukaufen, sie in seine eigenen Geschäftsbücher zu übertragen und sie später teuer zu verpfänden. Die ehemaligen Besitzer sind erleichtert ihre Toten durch den Verkauf aus den Steuerlisten entfernt zu haben und Tschitschikow wird zum reichen Mann, da er bei den Banken Kredite für diese „Seelen“ geltend macht.

 

Der satirische Roman war ein wichtiger Impulsgeber für eine überwiegend zwischen 1999 und 2001 entstandenen Serie von Josef Mikl, in der er einzelne Figuren sezierte, sowie Begebenheiten herausgriff und visualisierte. Kleine Papierarbeiten mit Tuschholz umgesetzt finden sich in dieser Werkgruppe genauso wie großformatige Ölbilder auf Leinwand.

 

Die intensive Auseinandersetzung mit Literatur war für Josef Mikl immer ein wichtiger Begleiter seiner Kunst und seines Lebens. So besass er eine umfangreiche Bibliothek, die mit zahlreichen Erstausgaben bestückt war. Josef Mikl galt nicht nur als ein sehr belesener, sondern auch kritischer Mensch. So fußen seine Glasfenster wie etwa das Fenster für die Kapelle am Kreuzberg (1975) auf Worte von Andreas Gryphius, jene für St. Margarethen (1965, 1970) und die Entwürfe für Ollersdorf (1981) auf Sören Kierkegaards Gedanken, setze eine Radierungsserie nach Kierkegaars "Stille Verzweiflung" um und konziptierte die Ausgestaltung des Großen Redoutensaales (1994 - 1997) als ein Manifest für die österreichische Literatur: Mit dem 404 m² großformatigen Deckenbild setzt er dem Gedicht "Jugend" von Karl Kraus ein Denkmal und zitierte mit seinen 22 Wandbildern Stücke von Ferdinand Raimund, Johann Nestroy und Elias Canetti.

 

Seit Anbeginn seiner künstlerischen Tätigkeit verfasste Josef Mikl selbst satirische Schriften, wo er in Texten und Bildern seine Zeitgenossen mit Seitenhieben bedachte. Seine sogenannten „Kinderbücher“ und seine unzähligen Arbeiten zu seiner bekannteste Figur, der Journalistenfresserin Hawranek, waren öfters Gegenstand einzelner Ausstellungen oder Teil großer Werkpräsentationen. Einige seiner „Hawranek“- Geschichten wurden auch publiziert. 2018 widmete das Wien Museum MUSA seinen satirischen Arbeiten schließlich eine große Ausstellung und einen Katalog.

 

Charakterisierungen von Künstlerkollegen genauso wie Stellungnahmen zu ihm wichtigen Themen verfasste er ebenfalls von Anbeginn an, die in Ausstellungskatalogen, Büchern und Zeitschriften publiziert wurden. In geschriebener Form wie auch das gesprochenen Wort waren Josef Mikl immer wichtig, so thematisieren doch auch immer wieder seine Arbeiten das „Gespräch“.